Bei der Vorbereitung auf die Reise habe ich online in allen Clubs nachgesehen, wer spielt. Einer meiner liebsten “hang-outs” im Village, die 55 Bar in der Christopher Street, war ungeheuer spät dran mit dem Oktoberprogramm, aber schließlich wurde es dann doch noch veröffentlicht und siehe da, am Samstag stand Roz Corral mit einer frühen Show auf dem Programm.
Also nichts wie hin, Treppe runter und an die Bar! Leider gibt es auch hier nach wie vor kein ordentliches Bier! Oder sind wir schon zu verwöhnt?
Roz ist eine leider völlig zu Unrecht bei uns total unbekannte Sängerin mit einem wunderbar herzlichen und vollen Sound. Ihr Timbre ist einmalig! Kurz vor 6 kommt auch sie in die Bar, um vorzubereiten und wir unterhalten uns so, als ob wir uns schon immer kennen würden. Tatsächlich sehen wir uns zum ersten Mal, haben lediglich über Facebook seit über vier Jahren Kontakt. Ihr set ist makellos, auch Dank der exzellenten Band mit Nir Felder an der Gitarre und Boris Kozlov am Bass.
Nach dem Set wieder rauf zum unfassbar überquellenden Times Square (manchmal kann der auch ganz schön nerven!), um noch einmal ins Birdland zu gehen. Hier war ich eigentlich mit Karrin Allyson zum Interview verabredet- sie kommt zu spät und entschuldigt sich. Wir verabreden uns für die nächste Woche. Kein Problem – so komme ich jedenfalls in den Genuss eines weiteren Sets, nachdem ich meinen ersten Abend bereits hier verbringen konnte.
Ich muß kurz vor Ende los, um zwei Blocks nach unten zu laufen, was hier am Times Square eigentlich gar nicht geht wegen der Menschenmassen, aber ich kann mich an der gefühlt 500
Kilometer langen Schlange nach vorne durchkämpfen, um den Mann zu sehen, der ursprünglich der Grund für meine Reise war und den ich noch nie vorher live gesehen habe: Michael Franks! Was soll ich sagen? Der Mann wird nächstes Jahr 70 und hört sich immer noch so an wie auf dem Album, mit dem ich ihn damals (1982!) zum ersten Mal gehört habe: “Tiger In The Rain”. Ich werde quasi direkt vor der Bühne in der 2. Reihe platziert und lande an einem Tisch, an dem mir wohlwollend gesagt wird, daß hier nur echte Michael Franks-Fans sitzen dürfen. Die nette Mischpoke brüstet sich damit, daß sie immerhin aus Indiana und Arizona angereist sind, um Franks zu sehen. Als ich ihnen sagte, woher ich extra angereist bin, hatte ich alle auf meiner Seite!
Franks hat ein Potpourri seines mittlerweile 35 Jahre umfassenden Programms gebracht. Natürlich konnte nicht alles untergebracht werden, aber es war schon faszinierend zu sehen, wie etwa bei “Eggplant” der ganze Saal im B.B. King’s die ja nicht gerade einfachen Texte lauthals mitgesungen hat. An seiner Seite übrigens eine Sängerin, mit der er schon seit 20 Jahren zusammen arbeitet und die ich am folgenden Tag treffen sollte: Veronica Nunn!
Matthias Kirsch