New Orleans war kein Produkt des angelsächsischen Amerikas. Im Zuge der europäischen Kolonialisierung der Neuen Welt wurde New Orleans 1718 von Jean Baptiste Le Moyne de Bienville unter dem Namen La Nouvelle-Orléans gegründet.

Bienville war mehrere Jahre lang Gouverneur der französischen Kolonie Luisiana. Luisiana wurde nach niemand geringerem als Ludwig XIV. benannt und erstreckte sich von der kanadischen Grenze im Norden bis zum Golf von Mexiko im Süden über weite Teile der heutigen USA. Bienvielle gehörte der Mississippi-Kompanie an – einer Aktiengesellschaft, die die Kolonie im Auftrag des französischen Königs erschließen sollte. Kolonialismus war seinerzeit nichts anderes als ein globales Business. Um Handelsströme aus den Gebieten westlich der Apalachen über das Flusssystem des Mississippi und seiner Nebenflüsse bis nach Europa aufzubauen, wurde ein gut gelegener Umschlagplatz an der Mündung des Mississippi benötigt: New Orleans.

 

Französischer Kolonialismus

Bereits 1717 – ein Jahr vor der Gründung der neuen Hafenstadt – entschied der Direktor der Mississippi-Kompanie John Law, die hiesige Plantagenwirtschaft zu fördern, indem Sklaven nach Luisiana importiert werden sollten. Der schottisch-französische Law war einer der größten ökonomischen Schwergewichte der damaligen Zeit und verfügte als Wirtschaftsmagnat über weitreichenden politischen Einfluss. “L’économie c’est moi”, soll er in Anspielung auf den berühmten Ausspruch Ludwig XIV. gesagt haben. Als Finanzminister bestimmte er genauso über die französische Geldpolitik wie als Chef der Mississippi-Kompanie über gut ein Drittel des nordamerikanischen Kontinents. Im Rahmen seiner kolonialen Geschäftstätigkeit löste er mit seiner Aktiengesellschaft eine folgenschwere Spekulationsblase zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus.

Auf Laws Erlass hin trafen bereits 1719 die ersten Sklavenschiffe in New Orleans ein. Neben den Sklaven aus Afrika wurde die Stadt natürlich auch von französischen Kolonialisten bevölkert. Manche davon suchten ihr Glück in der Neuen Welt, andere saßen infolge von Laws Blase fest, weil sie ausgebrannt waren. Sie hatten keine andere Wahl, als sich in der französischen Kolonie und in New Orleans eine neue Existenz aufzubauen. Daneben fanden (frankokanadische) Trapper und Jäger und karibische Kreolen – in den Kolonien geborene, zumeist aus einer Liaision mit Eingeborenen oder Sklaven hervorgegangenen Nachkommen europäischen Einwanderer – eine neue Heimat.

 

Unter spanischer Herrschaft

Als Frankreich seine kolonialen Ambitionen in Nordamerika aufgab, ging Louisiana 1763 an die Spanier. Zu der französischen Kultur in New Orleans mischte sich nunmehr auch die spanische. Parallel dazu versuchten die Sklaven ihre afrikanische Kulturtradition so gut es ging zu bewahren. Darüber hinaus strömten Einwanderer aus den Kanaren, der Karibik, Irland, Großbritannien und Deutschland in die Hafenstadt am Mississippi. 1768 ließen sich derart viele Deutsche westlich von New Orleans nieder, dass diese Region von Luisiana “German Coast” genannt wurde. Obwohl Luisiana keine französische Kolonie mehr war, erlebte sie unter spanischer Herrschaft zwei große französische Einwanderungswellen. Zum einen Franzosen, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts von den Briten aus Kanada vertrieben wurden. Zum anderen politische Flüchtlinge im Rahmen der Französischen Revolution 1789.

Im Jahr 1800 sahen sich die Spanier gezwungen, Luisiana an die Franzosen zurückzugeben. Französischer Kaiser zu jener Zeit war ein gewisser Napoleon Bonaparte. Gerade einmal drei Jahre nach dieser Rückgabe entschied Napoleon, Luisiana an die Vereinigten Staaten zu verkaufen. Mit den 15 Millionen Dollar, die er dafür bekam, wollte Napoleon seinen Krieg in Europa finanzieren. Für die USA war der ”Luisiana Purchase” der größte Landkauf ihrer Geschichte. Die mehr als zwei Millionen Quadratkilometer der ehemaligen französischen Kolonie verdoppelten das Territorium der damaligen USA auf einen Schlag.

 

Eintritt in die USA

New Orleans war nun Bestandteil einer aufstrebenden neuen Nation. Zu der kulturellen Vielfalt, die sich aus europäischen, karibischen und afrikanischen Einflüssen zusammensetzte, gesellten nun auch die anglo-amerikanischen Zuzügler von der Ostküste. Bis zum amerikanischen Bürgerkrieg erlebte New Orleans einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung und wurde zum Zentrum der Südstaaten. Der Ort war die viertgrößte Metropole und die zweitgrößte Hafenstadt der USA. Hier befand sich der wichtigste Exporthafen für Baumwolle und Zucker sowie zeitweise der größte Sklavenmarkt des Landes.

Denn obwohl New Orleans seit jeher ein kultureller Schmelztiegel war und bereits vor Ausbruch des Bürgerkriegs den größten Anteil an freilebenden farbigen Menschen in den USA hatte, darf man nicht vergessen, dass die rassistische, reaktionäre Geisteshaltung der Weißen bereits mit der Stadtgründung zu Kolonialzeiten Einzug hielt. Die Ökonomie der Südstaaten fußte maßgeblich auf Sklaverei, was bekanntlich zum Sezessionskrieg beitrug. Bezogen auf die weiße Bevölkerung war New Orleans eine der wohlhabendsten Städte des Landes. Gut situierte Bürger ließen sich prächtige Häuser bauen. Opernhäuser, Spielhöllen, Cafés und – wie es sich für eine anständige Hafenstadt gehört – Bordelle entstanden.

Obwohl die Sklaverei mit Ende des amerikanischen Bürgerkriegs formell abgeschafft war, war die  tradierte Diskriminierung in in der Praxis nur schwer zu überwinden. Die Schwarzen waren zwar offiziell frei, doch da sie nie eine ausreichende Bildung genossen und über kein Geld verfügten, mussten sie entweder für ihre früheren Herren arbeiten oder sich als Hilfsarbeiter oder Tagelöhner durchschlagen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Eine Verdienstmöglichkeiten bestand darin, als Musiker in einer Street Band zu spielen.

 

Street Bands

Street Bands entstanden nach dem Ende des Bürgerkriegs, als die ehemaligen Sklaven die Musikinstrumente der aufgelösten Armee-Kapellen günstig erwerben konnten. Die schwarzen Musiker konnten eine gewisse Faszination für die Instrumente der Europäer sowie der Rhythmik und Harmonie ihrer Musik aufbringen. Dies alles war in der afrikanischen Musiktradition unbekannt. Das Neue reizte und wurde neugierig aufgenommen.

Die Street Bands verbanden das ihnen Altbekannte mit den neu kennengelernten Einflüssen. Ihr Repertoire speiste sich aus all den multikulturellen Elementen New Orleans. Von den Worksongs und Spirituals, die aus der Sklavenarbeit heraus entstanden und im Blues mündeten, über eben jenen Blues bis zur der Marschmusik und dem Ragtime, die beide europäische Wurzeln besaßen. Diese afrikanisch-, europäisch- und teilweise karibischstämmigen Traditionen wurden kombiniert. Die Musiker mischten ihre persönliche Spielart und ihre eigenen Improvisation bei. Aus diesem gesamten Mix entwickelte sich ein eigener, New Orleans typischer Stil, der als Jazz bekannt wurde.

 

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Mardi Gras in der Canal Street 1890.

Storyville

Neben der Straße als Spielort etablierte sich am Ende des 19. Jahrhundert ein eigener Stadtteil, der den schwarzen Musikern Auftrittsmöglichkeiten bot. Mit Hilfe des 1897 von der Stadtverwaltung gegründeten Rotlichtviertels Storyville sollte die blühende Prostitution besser kontrolliert werden. Abgesehen von den leichten Damen brillierten die dort ansässigen Etablissements insbesondere durch das musikalische Angebot. Hier durften die afroamerikanischen Musiker, die anderswo nicht akzeptiert wurden, ihren neu entwickelten New Orleans Stil voll und ganz ausleben. Einer, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine ersten musikalischen Schritte in Street Bands und bis 1918 in Storyville bestritt, war niemand geringes als Louis Armstrong.

Mit Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 wurde New Orleans zum Kriegshafen. Um die Moral der Truppen nicht zu gefährden, sahen sich die Stadtoberen gezwungen, das Vergnügungsviertel Storyville mit seinen Musikhallen und Bordellen zu schließen. Die schwarzen Musiker, die dort beschäftigt waren, wurden arbeitslos. Manche verließen daraufhin den Süden. Generell zog es Teile Bevölkerung in den wirtschaftlich aufstrebenden Norden der USA. Die wachsenden Industriezentren lockten mit neuen Arbeitsplätzen. Dabei scheuten sich die Industriellen nicht, auch Schwarze anzustellen.

Vor allem in Chicago trafen jene Musiker zusammen, die New Orleans verlassen hatten. Nach einem Engagement auf einem Mississippi-Dampfer traf 1922 auch Louis Armstrong dort ein. Die Clubszene in Chicago wurde zum neuen Zentrum der Musik aus dem Süden. Hier war der Jazz neuen Einflüssen ausgesetzt. Der Rhythmus der Musik passte sich dem Tempo der Großstadt an. Die urbane Hektik ersetzte die entspannte Lockerheit von The Big Easy. Der New Orleans Jazz entwickelte sich im Chicago Jazz weiter.

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