In Musik

Ian Shaw gastiert mit seinem Solo-Programm „A Bit of a Mouthful“ in der Bar jeder Vernunft und stellt fest: „Ladies and Gentlemen, we are in a Spiegel-tent!“

Und tatsächlich ist er genau dort, wo er an diesem Abend hingehört. Shaws Solo-Programm ist ein ständiger Wandel: die Melancholie seiner Klavierklänge wird gebrochen von scheinbar spontan erdachten Eingebungen aus Shaws Kindheit in einem walisischen Ort, dessen unfassbar langen und komplizierten Namen selbst der beste Lehrer keinem Berliner Publikum beibringen kann. Shaw erzählt von David-Bowie Platten und seiner Liebe zu Cate Bush, und sobald das Publikum Tränen lacht, nimmt er es mit in die Welt seiner Musik, die allein einem schwarzen Flügel und seinem virtuosem Gesang zu verdanken ist.

„I am a Jazz singer“ sagt er, und zeigt mit jedem weiteren Satz, wie wenig er sich auf diese Bezeichnung reduzieren lässt. Das Publikum ist seinem grenzenlosen Charme bedingungslos erlegen. Einem Charme, der sich hin und wieder auch jenseits der Gürtellinie wiederfindet, aber stets den richtigen Ton trifft, wie Shaw selbst. Und auch wenn die ein oder andere Comedy-Einlage sprachlich einen Schritt weiter ging, als das Alltags-Englisch des Berliner Publikums (Shaw war immerhin Teil der Reihe Britain´s Best in der Bar jeder Vernunft), blieb die Stimmung bis zum Ende ungebrochen.

Ein Höhepunkt des Abends war zweifellos Shaws Liebeserklärung an Aretha Franklins Doctor Feelgood, dem er gemeinsam mit dem sangesfreudigen Publikum Tribut zollte – mit mehrstimmigen Chorklängen, die nach Aussage des Künstlers bis hin zur erotischen Ekstase seinerseits führten. Grund genug für Ian Shaw seine Berliner Fans hoffentlich bald wieder zu beehren, beim nächsten mal bitte gern mit einer Zugabe für das begeisterte Publium. Und gern wieder im Spiegelzelt der Bar jeder Vernunft: denn wo sonst, sind kabarettistischer Wahnsinn und hochkarätiger Jazz besser zu vereinen?

Bettina Kroner

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